Kommunalpolitik in der Zwickmühle

Was tun, wenn in nichtöffentlichen Sitzungen von der Verwaltung Details über Verfahren bekannt gemacht werden, die für sich schon skandalös sind und in der Summe sich gesetzwidrig anfühlen? Ein aktueller und nichtöffentlicher Tagesordnungspunkt in einem kommunalpolitischen Ausschuss macht mich mal wieder wütend.

Regelmäßig werden in Sitzungen Verträge mit Firmen behandelt. Diese Punkte werden dann in Ausschüssen im Bereich der Nichtöffentlichkeit behandelt. Die Nichtöffentlichkeit wird üblicherweise damit begründet, dass die Rechte Dritter (die Vertragspartner) berührt werden und hier der Datenschutz eine öffentliche Debatte nicht erlaube.

Natürlich macht es gelegentlich sehr viel Sinn sensible Punkte nichtöffentlich zu besprechen. Zum Beispiel wenn ein Sozialfall personenbezogen besprochen werden muss.

Datenschutz muss meiner Meinung nach immer auch das öffentliche Interesse berücksichtigen. Wenn Firmen betrügen, wenn Kommunen Steuerbetrüger sind, wenn Geld veruntreut wird und skandalöse Fälle mit juristischen Personen unveröffentlicht bleiben, dann sehe ich einen deutlichen Auftrag der Politik die Öffentlichkeit herzustellen.

Dies ist hervorragend und beispielhaft im Hamburger Transparenzgesetz gelungen. [1] [2]

Genau solch ein Gesetz braucht Göttingen.

Warum schreibe ich das jetzt? Weil ich schon wieder in Nichtöffentlichkeit über solch einen Fall informiert wurde. Leichtes Nachfragen hat bereits einen Schwall an weiteren Fragen aufgeworfen. Geld wird verschwendet. Über eine halbe Million Euro. Eigentlich war geplant, den Vorfall wie üblich mit Zustimmung der Politik durchzuwinken. Ich habe kein Stimmrecht in Ausschüssen, konnte aber intern Staub aufwirbeln, vielleicht kann in diesem einen Fall Reaktion und vielleicht sogar Aktion generiert werden. Vielleicht kann ein skandalöser Zustand beendet werden. Die Öffentlichkeit kann ich bestimmt nicht herstellen.

Wir brauchen ein Göttinger Transparenzgesetz. Juristische Personen dürfen nicht dem gleichen Schutz unterliegen wie natürliche Personen. Das öffentliche Interesse muss höher bewertet werden.

Meine Angst ist, dass Verwaltung zunächst stärker versuchen werden skandalöse Zustände der Politik noch weniger zugänglich zu machen. Wir müssen daher auch versuchen Mittel zu finden, die Zwickmühlen öffentlich zu machen, in denen Verwaltungen oft sitzen. Meist ist es bequemer nichts zu tun. Oft sind Vorgesetzte in den Verwaltungen befreundet mit den Inhabern oder Gesellschaftern dieser juristischen Personen. Wer will sich für kleines Gehalt schon unbeliebt machen? Wenn dann doch jemand aus der Verwaltung Courage zeigt und die Lobby-Maschine gegen diese Einzelperson anläuft, sorgt die Nichtöffentlichkeit dafür, dass die Person alleine gegen die üblichen Strukturen steht. Das macht dann zumindest niemand zwei Mal.

Presse ist einerseits in der Lage durch Öffentlichkeit solche skandalösen Zustände zu beenden. Gleichzeitig eskaliert Presse gerne pauschal und undifferenziert und am Ende hat dann angeblich ein kleiner Beamter einen Fehler gemacht und alle anderen zucken mit den Schultern. Zufrieden können die Bürger abends das Licht aus machen und schlafen.

Die meisten dieser Skandale sind immer noch nichtöffentlich. Manche kommen in die Presse. Meistens kommen sie zu spät in die Presse.

Wir, die Bürger*innen von Göttingen, haben ein Gesetz wie das Hamburger Transparenzgesetz [1] verdient.

Das Gesetz ist nötig, weil Politik und Verwaltung in der Nichtöffentlichkeit regelmäßig zeigen und beweisen, dass ohne Öffentlichkeit Skandale gedeckt und vertuscht werden.

Dafür will ich mich einsetzen und hoffe auf interessierte Bürger*innen, die mitmachen wollen.

Ich sach 42, Martin Rieth – DIE LINKE Göttingen

Quellen:

[1] 2020: https://transparenz.hamburg.de/das-hmbtg/

[2] 2012: https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/wahlen-parlamente/hamburg-bekommt-transparenzgesetz-vertraege-muessen-veroeffentlicht-werden

[3] https://volksentscheid-transparenz.de/

[4] https://www.mehr-demokratie.de/

[5] https://www.ccc.de/

[6] https://www.transparency.org/en/

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